
Düsseldorf. Das Bündnis für inklusive Bildung in Nordrhein-Westfalen wirft Schulministerin Yvonne Gebauer Versagen bei der Inklusion vor. Angekündigte Qualitätsverbesserungen bei der „Neuausrichtung“ der Inklusion in den Schulen entpuppten sich inzwischen als völlig substanzlos.
Vier Monate vor Beginn des neuen Schuljahres zeichne sich ab, dass keiner der angekündigten sogenannten „Qualitätsstandards“ erfüllt werde. „Die Ministerin schafft es nicht, die versprochenen Qualitätsverbesserungen im Rahmen ihrer „Neuausrichtung“ in die Tat umzusetzen“, kritisiert die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Dorothea Schäfer, „das Einzige, was die „Neuausrichtung“ der Inklusion bisher bewirkt, ist große Verunsicherung und eine Reduzierung der inklusiven Schulen.“
Bernd Kochanek als Vorsitzender des Inklusionsfachverbandes Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen NRW wirft der Ministerin eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit vor. Den betroffenen Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern sei eine qualitative Verbesserung des inklusiven Unterrichts in Schulen versprochen worden. Genau diese Teile des Erlasses würden jetzt aber gar nicht vollzogen. Sämtliche Fragen der Qualitätsentwicklung würden einfach auf die Schulaufsichten und Schulen delegiert, es fehle an Steuerung auf allen Ebenen: „Die Ministerin redet von Qualität, aber sie tut nichts dafür“.
Die Landesschüler*innenvertretung (LSV) sieht in all dem ein „blamables Desinteresse an der schulischen Inklusion“, sagt der LSV-Vertreter Nikolaj Grünwald. Schulministerin Yvonne Gebauer verstoße bewusst gegen die menschenrechtlichen Vereinbarungen der UN-Behindertenrechtskonvention, “weil sie weiß, dass junge Menschen mit Behinderung keine einflussreiche Lobby haben, anders als investitionshungrige Digitalkonzerne“.
Bei ihrem Antritt 2017 hatte Schulministerin Gebauer versprochen, nicht nur sämtliche Förderschulen zu erhalten, sondern auch bei der Inklusion Vieles besser zu machen. Sie kündigte an, „den gesamten Prozess mit dem Ziel umzusteuern, qualitativ hochwertige schulische Inklusion zu gewährleisten“. Mit der ein Jahr später im Sommer 2018 beschlossenen „Neuausrichtung“ der Inklusion wollte die Ministerin den Einsatz von zusätzlichem Personal für die Inklusion an weiterführenden Schulen ab Sommer 2019 „bündeln“ und an diesen Schulen vier Qualitätskriterien garantieren:
Außerdem versprach sie, die Schülerzahl in inklusiven Klassen der Sekundarstufe auf 25 zu begrenzen und jede dieser Klassen mit einer halben Stelle für Sonderpädagogen zu versorgen.
Kurz vor Beginn der „Neuausrichtung“ ist nun klar:
Darüber hinaus steht fest: Es wird flächendeckend KEINE KLEINEREN KLASSEN für die Inklusion geben. Die im Sommer 2018 von Ministerin Gebauer angekündigte Formel von maximal 25 Schülern ist intern längst zu einer „Rechengröße“ relativiert worden. Realität werden in den meisten Fällen unverändert 27 bis 30 Schüler pro inklusiver Klasse sein.
Das Bündnis für inklusive Bildung in NRW fordert die Schulministerin auf, ihren Auftrag zum Aufbau der Inklusion an Nordrhein-Westfalens Schulen endlich ernst zu nehmen. Dieser sei nicht nur eine Verpflichtung aus der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern schon im Dezember 2010 vom Landtag grundsätzlich beschlossen und seit Oktober 2013 im Schulgesetz verankert.
Die Personalausstattung der inklusiven Schulen müsse vorrangig sicher gestellt werden. Die Schulen dürften beim Aufbau qualitativ hochwertiger inklusiver Bildung nicht sich selbst überlassen bleiben, sondern müssten in ihren Schulentwicklungsprozessen wirksam unterstützt und geleitet werden. Für den Aufbau und die qualitative Steuerung der Inklusion müsse das Ministerium inhaltliche Konzepte vorlegen und die Federführung übernehmen.
Das Bündnis für inklusive Bildung in Nordrhein-Westfalen hat sich am 17. Juni 2018 gegründet. Es vertritt derzeit 40 Organisationen, darunter neben Vereinen und Gremien der Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung auch die Sozialverbände, zahlreiche Elternvereine sowie die Bildungsgewerkschaft GEW und die Landesschüler*innenvertretung.
Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen NRW e.V. - Der Inklusionsfachverband, mittendrin e.V., Autismus Landesverband NRW e.V., Landesschüler*innenvertretung NRW, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW NRW, SoVD NRW e.V., VdK NRW e.V., Landesbehindertenrat NRW, LAG Selbsthilfe NRW e.V., Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben ISL NRW e.V., Landeselternschaft der Förderschulen Schwerpunkt Geistige Entwicklung, NRW-Bündnis Eine Schule für alle, Grundschulverband Landesgruppe NRW, Landesverband der Gehörlosen und Gebärdensprachgemeinschaft NRW e.V., Kinderschutzbund KV Warendorf e.V., Progressiver Eltern- und Erzieherverband PEV e.V., Gemeinsam Leben - Gemeinsam Lernen Bonn e.V., Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen Dorsten, Initiativkreis Gemeinsame Schule Wuppertal, Gemeinsam leben, gemeinsam lernen Olpe plus e.V., Elterninitiative Inklusion Bornheim, Gemeinsam Leben lernen e.V. Hilden, INVEMA e.V. Kreuztal, Schule für alle e.V. Hennef, Gemeinsam Leben - Gemeinsam Lernen Kreis Borken, Bielefelder Familien für Inklusion e.V., die Inklusiven e.V. Bielefeld, Gemeinsam leben gemeinsam lernen Pulheim, Elterninitiative INKLUSION -HIER & JETZT! e.V. Leverkusen, Gemeinsam leben und lernen e.V. Düsseldorf, Gemeinsam Leben - Gemeinsam Lernen Aachen e.V., Initiative gemeinsam leben und lernen e.V. Neuss, VIBRA e.V. Ratingen, Gemeinsam leben und lernen Mönchengladbach, Prima Arbeiten und Leben PAUL e.V. Kaarst, Freizeitgemeinschaft Behinderter und Nichtbehinderter e.V. Hilden, MOBILE - Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V. Dortmund, Aktionskreis „Der behinderte Mensch in Dortmund“, Dunkelcafé Siegen – außerschulischer Lernort für Inklusion, Aktion Menschenstadt: Evangelischer Kirchenkreis Essen